Große heimische Flüsse auf Verbauungsgrad analysiert – WWF fordert Schwerpunkt auf Flüssen im österreichischen Renaturierungsplan und Schutz frei fließender Strecken.
In Österreich haben mehr als 1.000 Flusskilometer ein hohes Renaturierungs-Potenzial. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des technischen Büros blattfisch e.U. in Zusammenarbeit mit dem WWF Österreich zum Verbauungsgrad der großen heimischen Flüsse. Der WWF sieht hier enormen Handlungsbedarf. Denn nur noch 14 Prozent der österreichischen Fließgewässer sind in einem sehr guten ökologischen Zustand. “Die Renaturierung unserer Flüsse birgt enorme Chancen. Denn sie schafft nicht nur wertvolle Lebensräume, sondern schützt uns auch vor den Folgen der Klimakrise”, erklärt WWF-Gewässerschutzexpertin Marie Pfeiffer. Ökologisch intakte Flüsse mit genügend Platz und gut angebundenen Auen können Wasser wie Schwämme speichern. Dadurch federn sie einerseits Hochwasser ab und beugen andererseits Dürreperioden vor. Der WWF fordert daher einen Schwerpunkt auf Flüssen bei der nationalen Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung. Dafür braucht es einen österreichweit abgestimmten, fachlich fundierten Wiederherstellungsplan und die notwendige Finanzierung. Gleichzeitig müssen die letzten noch frei fließenden Flussabschnitte konsequent vor Verbauung geschützt werden.
Hohes Renaturierungs-Potenzial in allen Bundesländern
Flussabschnitte mit hohem Renaturierungs-Potenzial finden sich in jedem Bundesland. Beispiele sind die Aschach in Oberösterreich, die Isel in Osttirol oder die untere Mur in der Südsteiermark. “An Strecken mit hohem Potenzial würde in vielen Fällen eine bauliche Maßnahme reichen, um sie wieder frei fließen zu lassen. Das betrifft zum Beispiel die Entfernung veralteter oder nicht mehr gebrauchter Querbauwerke”, sagt Studienautor Gabriel Kirchmair von blattfisch e.U. “Das zeigen erfolgreiche Renaturierungen, wie zum Beispiel jene an der oberösterreichischen Maltsch.” An anderen Abschnitten könnten Uferbausteine entfernt oder Seitenarme wieder angebunden werden.
Dass durch Renaturierungen auch der Hochwasserschutz verbessert werden kann, zeigt ein Beispiel an der Pinka, wo der Lauf um einen Kilometer verlängert und dem Fluss wieder mehr Raum gegeben wurde. “Moderner Wasserbau und Hochwasserschutz orientieren sich heute zunehmend an ökologischen Lösungen”, erklärt Marie Pfeiffer vom WWF. Neben der Entfernung von Querbauwerken werden vielerorts Überflutungsflächen abgelöst sowie passive Hochwasserschutzmaßnahmen, der Rückbau von Uferbefestigungen oder Aufweitungen durchgeführt.
Zur Studie
Die kürzlich in Kraft getretene EU-Renaturierungsverordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum Jahr 2030 EU-weit mindestens 25.000 Flusskilometer wieder zu frei fließenden Strecken zu renaturieren. Die vorliegende Studie liefert dafür einen ersten Baustein in Österreich. Sie basiert auf Daten des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans 2021 und der Hochwasserrisikozonierung HORA. Die untersuchten Strecken wurden nach offiziellen Kriterien der EU-Kommission auf ihren Verbauungsgrad hin analysiert. Je weniger Bauwerke einen Flussabschnitt einengen, desto höher ist dessen Renaturierungs-Potenzial. Untersucht wurden alle österreichischen Flüsse mit einem Einzugsgebiet von mehr als 100 Quadratkilometern. Das entspricht insgesamt rund 12.000 Flusskilometern. Die Studie wurde von der Umweltinitiative MUTTER ERDE finanziert. MUTTER ERDE, unterstützt von der Kronen Zeitung, Lidl Österreich und Wien Energie, dankt allen Partnern.
Überblick Renaturierungs-Potenzial pro Bundesland
Hohes Renaturierungs-Potenzial haben 120 Flusskilometer im Burgenland, 80 in Kärnten, 305 in Niederösterreich, 70 in Oberösterreich, 68 in Salzburg, 278 in der Steiermark, 112 in Tirol und 41 in Vorarlberg. Wien nimmt als Stadt eine Sonderstellung ein: Die Möglichkeiten zur Wiederherstellung frei fließender Flüsse sind hier begrenzt. Dennoch können Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen auch in Städten die Folgen der Klimakrise abmildern.
Bildmaterial, ein umfangreiches FACTSHEET mit Beispielen aus jedem Bundesland sowie die Studie finden Sie hier zum Download.