Renaturierung : Studie nimmt drei Vorarlberger Flüsse ins Visier

WWF-Studie zeigt ungenutztes Potenzial zur Renaturierung in Vorarlberg und ganz Österreich. Gleichzeitig warnt die Umweltschutzorganisation unter anderem vor Gefahren durch unnatürliche Schwankungen des Wasserspiegels und Verbauungen.

Renaturierung ist in Österreich zum Reizwort geworden. Die Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zum EU-Renaturierungsgesetz hatte im Juni zu einer Krise in der schwarz-grünen Koalition geführt. Eine Anzeige der ÖVP gegen Gewessler verlief im Sand. Nun zeigt eine Studie des WWF, welche Potenziale es zur Renaturierung gibt. Demnach eignen sich österreichweit mehr als 1000 Flusskilometer für entsprechende Maßnahmen. „In Vorarlberg gibt es in Summe 41 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial.“ Diese teilen sich auf drei Flüsse auf.

25.000 Flusskilometer als Ziel

Das EU-Renaturierungsgesetz ist ein zentraler Teil des “Green Deal”, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Das übergeordnete Ziel ist die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger Ökosysteme. Das heißt unter anderem: Wälder aufforsten, Moore wiedervernässen, Artenvielfalt erhalten und Flussläufe in natürlichere Wege bringen. EU-weit ist eine Renaturierung von 25.000 Flusskilometern gefordert. Ob die in der Studie identifizierten 1000 Flusskilometer ausreichen, um dem EU-Ziel gerecht zu werden, bleibt auf VN-Nachfrage unbeantwortet. „Das geplante Gesetz gibt europaweite Ziele vor, aber die Mitgliedsstaaten können selbst festlegen, welchen Beitrag sie zu diesem Ziel leisten“, erklärt Marie Pfeiffer, Referentin für Flüsse und Gewässerschutz beim WWF. Die Umweltschutzorganisation sieht bei Flüssen und Feuchtgebieten den größten Handlungsbedarf in Österreich. „Vorarlberg hat im Vergleich zum Rest Österreichs viele naturnahe Strecken, vor allem in den Oberläufen.“ Kurzfristige, unnatürliche Schwankungen des Wasserspiegels stellten infolge der Wasserkraftnutzung aber ein Problem für viele Tiere, vor allem Fische, dar. „Schwallbelastete Gewässer sind unter anderem die Bregenzerach oder die Ill“, sagt Pfeiffer.

Bauwerke entfernen

Renaturierung bedeutet unter anderem, Querbauwerke zu entfernen, „zum Beispiel Wasserkraftwerke, die nicht mehr betrieben werden“ oder Sohlschwellen, die das Gewässer unnötig verstopfen würden, erklärt Marie Pfeiffer. „Andererseits wurden in Österreich vor allem in den 50er, 60er und 70er Jahren Flüsse begradigt und verbaut und die Ufer befestigt. Flüsse brauchen wieder mehr Platz.“ Österreichweit sind laut Studie 14 Prozent des Fließgewässers in sehr gutem ökologischen Zustand. „Ökologisch intakte Flüsse mit genügend Platz und gut angebundenen Auen können Wasser wie Schwämme speichern. Dadurch federn sie einerseits Hochwasser ab und beugen andererseits Dürreperioden vor”, erklärt die WWF-Expertin.

Breitach, Bregenzerach und Lutz

Potenzielle Flussabschnitte zur Renaturierung finden sich in jedem Bundesland. Auch in Vorarlberg. Der Studie zufolge gibt es bei drei Flüssen hohes Renaturierungspotenzial. Die Breitach durchfließt das Kleinwalsertal: „In ihrem Oberlauf könnte der 21 Kilometer lange frei fließende Abschnitt um drei Kilometer verlängert werden“, heißt es. Die Bregenzerach biete ein abwechslungsreiches Bild. „Durch umfangreiche Regulierungsmaßnahmen wurde der Flusslauf in ihrem Unterlauf aber begradigt.” Außerdem werde sie energiewirtschaftlich intensiv genutzt. Der WWF ortet dadurch Wanderungshindernisse für Fische. Unnatürliche Wasserspiegelschwankungen führten zu katastrophalen Auswirkungen für Fischlarven und Kleinstlebewesen. Erste Renaturierungsmaßnahmen seien aber umgesetzt. Diese ortet der WWF auch schon an der Lutz im Großen Walsertal. Dennoch: „Ab der Stauzone Raggal ist sie leider stark verbaut.“

„Keine verbindliche Absicherung“

Österreich muss seinen Renaturierungsplan bis 1. September 2026 vorlegen. Die WWF-Studie soll einen ersten Baustein liefern. „Sie zeigt auch, dass es nur noch wenige frei fließende Abschnitte gibt. Aus ökologischer Sicht ist es besonders wichtig, diese wirksam vor Verbauung zu schützen.“  Dies könne mit verschiedenen Schutzkategorien geschehen, erklärt WWF-Expertin Pfeiffer. „In Vorarlberg gibt es zwar einen Landtagsbeschluss, dass Kleinwasserkraft nicht in sehr gute ökologische Strecken gebaut wird, aber eine rechtlich verbindliche Absicherung in einem Regionalprogramm laut Wasserrecht wäre ein wichtiger nächster Schritt.“

Die für die Studie notwendige Datengrundlage ist der aktuelle Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan mit dem Letztstand aus dem Jahr 2021. Seither wurden auch Renaturierungsprojekte geplant oder umgesetzt, die entsprechend nicht in den Daten des aktuellen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans abgebildet sind. Das betrifft zum Beispiel das Projekt Rhesi. „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Rhein durch den Menschen stark verändert wurde. Aufgrund des sehr hohen Nutzungsdrucks ist das Potenzial zur Wiederherstellung hin zu einem frei fließenden Fluss gering“, hält Pfeiffer fest. Das Projekt Rhesi könne aber sowohl für die Biodiversität als auch für den Hochwasserschutz entscheidende Verbesserungen bringen.

Quelle 02.11.2024 09:31 Uhr