Frei fließende Flüsse“ nennt sich eine neue Studie vom technischen Büro blattfisch e.U. für den WWF. Wenn auch nur zwölf Prozent (ca. 1.500 Kilometer) von den rund 12.000 Kilometern untersuchten österreichischen Fließgewässern dieser Definition genügen, weisen demnach zumindest weitere neun Prozent (ca. 1.000 Kilometer) ein hohes Renaturierungspotenzial auf. Ökologisch intakte Flüsse speichern Wasser, federn Hochwasser ab und beugen Dürreperioden vor, schrieb die NGO.
Der WWF forderte daher einen Schwerpunkt auf Flüsse bei der nationalen Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung. Dafür brauche es einen österreichweit abgestimmten, fachlich fundierten Wiederherstellungsplan samt Finanzierung. In der Vergangenheit seien natürliche Lebensräume durch Wasserkraftwerke, Wehranlagen und Sohlschwellen, aber auch durch Uferverbauungen zerschnitten und massiv verändert worden oder seien sogar komplett verloren gegangen – mit dramatischen Folgen für die Natur und insbesondere die Artenvielfalt, warnte der WWW.
„Fehlen geeignete Strukturen, verschwinden auch die Arten im und am Fluss. So sind zum Beispiel 60 Prozent der heimischen Fischarten als gefährdet eingestuft, nur noch 14 Prozent der österreichischen Flüsse sind in ihrem natürlichen Zustand.“ Grundsätzlich gelte: Je weniger Bauwerke einen Flussabschnitt einengen, desto höher ist dessen Renaturierungspotenzial. Beispiele für solche Flüsse seien Strecken, die durch Rückbau eines obsoleten Querbauwerks oder der Entfernung einer Uferbefestigung wieder zu einer frei fließenden Flussstrecke werden können. Untersucht wurden alle österreichischen Flüsse mit einem Einzugsgebiet von mehr als 100 Quadratkilometern.
Flussabschnitte mit hohem Potenzial finden sich in jedem Bundesland. Beispiele sind die Aschach in Oberösterreich, die Isel in Osttirol oder die untere Mur in der Südsteiermark. „An Strecken mit hohem Potenzial würde in vielen Fällen eine bauliche Maßnahme reichen, um sie wieder frei fließen zu lassen“, sagte Studienautor Gabriel Kirchmair vom technischen Büro blattfisch e.U. „Das zeigen erfolgreiche Renaturierungen, wie zum Beispiel jene an der oberösterreichischen Maltsch.“ An anderen Abschnitten könnten Uferbausteine entfernt oder Seitenarme wieder angebunden werden.
Für Niederösterreich, das besonders vom Hochwasser im September betroffen war, sei die March ein besonderes Beispiel. Sie wurde in der Studie wegen des Verbauungsgrades zwar nur mit einem mittleren Potenzial bewertet, aber „durch die Entfernung künstlicher Uferbefestigungen und die Wiederanbindung alter Seitenarme und Mäander auf einer Länge von rund 60 Kilometern könnte hier jedoch eine Auenlandschaft von rund 200 Quadratkilometern wiederhergestellt werden“, so der WWF. Erfolgreiche Renaturierungen wurden zudem bereits an der Pielach durchgeführt. Wien nehme als Stadt zwar eine Sonderstellung ein, habe aber mit dem Liesingbach ein erfolgreiches Beispiel für Renaturierung vorzuweisen. Das Projekt bringe mehr Hochwassersicherheit, Lebensräume für Tiere und Pflanzen in der Stadt und wichtige Erholungsräume.
(APA)